Wir, die Gruppe Bensberg/Rösrath/Overath, sind gut 10 Personen und setzen uns seit 1965 für die Menschenrechte ein. Wir sind die älteste aktive Amnesty-Gruppe in Deutschland – uns gab es schon im Jahr 1965. Von den Gründungsmitgliedern ist uns aber niemand mehr bekannt.
Hier ist unser aktueller Gruppenbericht:
2-Jahresbericht Amnesty-Gruppe Bensberg/Rösrath/Overath 2020/21
Die Amnesty-Gruppe hat jetzt 12 Mitglieder, 6 bis 8 davon treffen sich regelmäßig. Ab März 2020 bis zum Oktober 2021 fanden Treffen nur online statt; zur Zeit (Jan. 22) treffen wir uns wieder an jedem 1. und 3. Dienstag eines Monats um 20 Uhr im Gemeindezentrum Bensberg.
Einsatz gegen Menschenrechtsverletzungen
Große Freude im Januar 2022: unser Adoptionsfall Russland ist zu einem guten Ende gekommen und die ganze Familie Polukhin aus Woronesch ist frei – alle wurden „zur Bewährung“ vorzeitig entlassen! Wir wissen, dass Mutter Maria und Vater Alexander zur Zeit versuchen, „beschädigte Gesundheit wieder herzustellen“, so die Google-Übersetzung von Alexanders Mail vom 22.1.22. Genaueres über ihre Zukunftspläne wissen wir nicht.
Wir beteiligen uns weiterhin an den monatlichen Briefen gegen das Vergessen der Amnesty-Gruppe Bergisch Gladbach und freuen uns über regelmäßige Erfolge: in einem Drittel bis der Hälfte der Fälle gibt es positive Entwicklungen, so die langjährige Erfahrung.
Außerdem engagierten wir uns bei Eilaktionen (urgent actions), Postkartenaktionen anderer Gruppen, u.a. für Julian Assange, und beim jährlichen Briefmarathon im Dezember, s.u.
Wir setzten uns für Fälle in folgenden Ländern ein: Bangladesh, Belarus, Chile, China, Eritrea, Griechenland, Guatemala, Indien, Iran, Kolumbien, Mexiko, Mosambik, Nigeria, Palästina/Besetzte Gebiete, Philippinen, Polen, Russland, Saudi Arabien, Senegal, Thailand, Türkei, Ukraine und den USA.
Öffentlichkeitsarbeit
Kurz vor dem Lockdown, am 5.3.2020, konnte noch eine Diskussionsveranstaltung mit der verfolgten tadschikischen Journalistin Humayra Bakhtiyar und dem ehemaligen WDR-Intendanten Fritz Pleitgen stattfinden – sie war mit ca. 70 Interessierten gut besucht!
Danach war unsere Öffentlichkeitsarbeit aus den bekannten Gründen bis Ende 2021 weitgehend lahmgelegt, mit zwei Ausnahmen: Ende November 2020 organisierten wir eine Mahnwache vor dem türkischen Konsulat in Hürth, in Erinnerung an den fünften Todestag des kurdischen Menschenrechts-anwalts Tahir Elci.
Im Februar 2021 beteiligten wir uns an einer Mahnwache der weißrussischen Demokratie-bewegung gegen die offensichtlich gefälschten Wahlen in Belarus, auf dem Heumarkt in Köln.
Wir waren froh, dass am 13. Dezember 2021 wieder ein Briefmarathon am Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium in Bergisch Gladbach stattfinden konnte, den unsere Gruppe organisierte und auch personell unterstützte. Schülerinnen und Schüler halfen mit, und so konnten in kurzer Zeit (zwei großen Pausen) 666 Briefe unterschrieben werden, die inzwischen sicher über die Berliner Amnesty-Zentrale ihre Adressaten erreicht haben dürften.
Das jugendliche Interesse war groß und mündet demnächst in 2 Unterrichtsbesuche am DBG.
Wir haben uns gefreut, dass auch der Gladbacher Bürgermeister Frank Stein sich für einen Fall des Briefmarathons einsetzte (er betraf einen Fall in Charkiv in der Ukraine).
Finanzbeschaffung
Zur Zeit unterstützen uns 8 Förderer und eine Reihe regelmäßiger Spender, die uns auch über diese beiden schwierigen Jahre die Treue gehalten haben; davon bezahlen wir den jährlichen Gruppenbeitrag für die Menschenrechtsarbeit unserer Organisation. Kosten gab es im Berichtszeitraum nur für Bahnfahrt (aus HH) und Aufenthalt der tadschikischen Journalistin.
Wer ist Amnesty International?
Am Anfang von Amnesty International steht ein Trinkspruch: Zwei portugiesische Studenten stoßen in einem Café in Lissabon auf die Freiheit an. Doch in den Sechzigerjahren herrscht in Portugal eine Diktatur, die keine Kritik duldet – die Erwähnung des Wortes „Freiheit“ ist verboten. Die zwei Studenten werden festgenommen und später zu sieben Jahren Haft verurteilt.
1.500 Kilometer entfernt fährt der 39-jährige Anwalt Peter Benenson im November 1960 mit der Londoner U-Bahn in seine Kanzlei, als er in der Zeitung eine Meldung über das Urteil gegen die beiden Portugiesen liest. Es ist nicht das erste Mal, dass er erfährt, dass Menschen wegen ihrer Gesinnung verfolgt und eingesperrt werden. Doch die Meldung aus Lissabon geht ihm nicht mehr aus dem Kopf. Benenson will nicht mehr länger über solches Unrecht lesen, er will etwas tun. Er weiß nur noch nicht, wie. Aufgewühlt läuft er durch die Straßen Londons. In der Kirche St. Martin in the Fields kommt ihm der Gedanke:
“Wenn eine einzelne Person protestiert, bewirkt das nur wenig, aber wenn es viele Leute gleichzeitig tun würden, könnte es einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen.”
Am 28. Mai 1961 veröffentlicht er in der Zeitung „The Observer“ den Artikel „The Forgotten Prisoners“, der mit den Worten beginnt: „Schlagen Sie Ihre Zeitung an irgendeinem beliebigen Tag auf, und Sie werden eine Meldung aus irgendeinem Teil der Welt lesen: Ein Mensch ist eingekerkert, gefoltert, hingerichtet worden, weil seine Ansichten oder religiösen Überzeugungen nicht mit denen der Regierung übereinstimmen.“ Benenson fordert die Leserinnen und Leser auf, mit Appellschreiben öffentlichen Druck auf die Regierungen zu machen und von ihnen die Freilassung politischer Gefangener zu fordern. Dieser “Appeal for Amnesty” ist der Beginn von Amnesty International.
Die Resonanz ist überwältigend. 30 große Zeitungen in verschiedenen Ländern drucken den Artikel nach. Allein in den ersten Wochen melden sich mehr als Tausend interessierte Mitstreiterinnen und Mitstreiter. Im Juli 1961 wird beschlossen, die ursprünglich auf ein Jahr angelegte internationale Kampagne in eine feste Organisation zu verwandeln. Am Ende des Jahres gibt es Sektionen in West-Deutschland, Großbritannien, Irland, den Niederlanden, Belgien, Frankreich, Schweden, Norwegen, Australien und den USA. Im September 1962 wird auf dem internationalen Treffen in Brügge endgültig der Name “Amnesty International” für die noch junge Organisation festgelegt.
Heute ist Amnesty eine weltweite Bewegung, die in über 150 Ländern vertreten ist. Über sieben Millionen Mitglieder, Unterstützerinnen und Unterstützer sowie Aktivistinnen und Aktivisten setzen sich dafür ein, dass auch 50 Jahre nach Benensons Appell die politischen Gefangenen dieser Welt nicht vergessen werden.
Unsere Gruppe macht weiter …
Einige Erfolge der Menschenrechtsarbeit im Jahr 2018
Äthiopien : Der Journalist Eskinder Nega wurde im April 2018 endlich frei gelassen. Unsere Gruppe hatte sich mehrfach für ihn und seine Frau eingesetzt.
Türkei: Taner Kılıç, der Ehrenvorsitzende von Amnesty Türkei kam nach 400 Tagen im August 2018 endlich frei.
Ukraine: Vitalina Koval, eine Demonstration zum Internationalen Frauentag 2019, die Vitalina in ihrer Heimatstadt Ushorod organisierte, konnte am 08.03.2019 ungehindert statt finden.
Im vergangenen Jahr setzten wir uns ein für Menschen aus (u. a.) Ägypten – Afghanistan – Australien – Aserbaidschan – Belarus – Borundi – Dominikanische Republik – Guinea – Indien – Iran –Israel – Jamaika – Japan – Kanada – Kenia – Kongo – Malaysia – Marokko – Mexiko – Russland – Slowakei – Saudi- Arabien – Süd Afrika – Thailand – Türkei – Ukraine – Vereinigte Arabische Emirate – Vietnam – Venezuela.
Teilnahme am Briefmarathon von Amnesty International
Infostand auf dem Lichtbrückenbasar Engelskirchen, anschließend konnten wir 315 Briefe für verfolgte Menschen versenden. Auf unsere Initiative hin gab es dieses Jahr auch einen Briefmarathon am Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium. Die Schule konnte daraufhin 565 Briefe verschicken. Auch am Aggertal.Gymnasium Engelskirchen und am Jugendzentrum Rösrath gab es Aktionen zum Briefmarathon.
Briefe gegen das Vergessen
Wie schon seit Jahren beteiligten wir uns an den monatlichen Briefen gegen das Vergessen. Über mehr als 300 Menschen in Gladbach und Umgebung beteiligen sich regelmäßig an dieser Aktion der Gladbacher Amnesty Gruppe. Weitere Briefeschreiber sind immer willkommen!
Wir trugen Menschenrechtsanliegen in die Öffentlichkeit…
* beim Gottesdienst in Forsbach im April 2018, Thema: MUT BRAUCHT SCHUTZ – Menschenrechtsverteidiger
* bei der Fotoausstellung „Menschen auf der Flucht“ in der VHS Untereschbach im April 2018; Thema: Flucht – von 1945 bis heute
* bei einer öffentlichen Veranstaltung im evangelischen Gemeindezentrum Bensberg: Bericht von Tom Behrenbeck über seinen Einsatz auf dem Flüchtlingsrettungsschiff von Sea Watch am 23. Juni 2018, siehe Foto
* beim Infostand in Refrath im Juli 2018,
* beim Trödelmarkt „Kunst und Klaaf“ im September 2018, Themen: Afghanistan, Ägypten, Kongo
* beim Frauentagsfrühstück im Schloss Eulenbroich in Rösrath im März 2019, Thema: Schutz von Menschenrechtsverteidigerinnen
* bei der Vernissage der Ausstellung „Kulturen im Dialog“ in Rösrath im April 2019, Thema: Rassismus/Flucht und Asyl.
Seit 2018 betreut Gruppe 1020 einen Russland-Fall
Unser Fall, das ist eine ganze Familie aus dem südrussischen Woronesch. Die Familie Polukhin betrieb dort eine Bäckerei mit Café. Wie in Russland üblich, wurden dort auch Backwaren mit Mohn verkauft. Im März 2010 sahen sich die Polukhins plötzlich einer Anklage wegen Drogenhandels ausgesetzt, was sie zunächst kaum glauben konnten. Allerdings hatten sie vorher abgelehnt Schutzgelder an die örtliche Drogenbehörde zu zahlen. Im Juli 2015 wurden Vater, Mutter, Tochter und Schwägerin wegen Drogenhandels zu Haftstrafen von über 8 Jahren verurteilt. Ihre Berufung wurde abgelehnt. Amnesty London schaltete sich schon 2016 ein, in einem Briefwechsel mit der Generalstaatsanwaltschaft wurde unserer Organisation mitgeteilt, der Prozentsatz von Opiaten in den beschlagnahmten Mohnsäcken der Bäckerei sei verhältnismäßig niedrig gewesen (und damit eigentlich vollständig legal), dennoch sind die Polukhins weiterhin inhaftiert. Es gibt Hinweise, dass die Polukhins nicht der einzige Fall sind, wo Bäcker wegen Drogenhandels (durch Verkauf von Mohn- und Mohnprodukten) angeklagt wurden.
Inzwischen (Stand August 2020) sind zwei der vier Familienmitglieder wieder frei: der Vater, Alexander Polukhin, und die Tochter, Evgeniya Polukhina – welchen Anteil unsere Briefe an den Generalstaatsanwalt in Moskau – fünf Briefe, auf den wir insgesamt vier Antworten erhielten – daran hatten, können wir nur vermuten. Mutter Maria Polukhina und Schwägerin Nina Chursina sind noch in Haft. Wir kennen weder die Gründe für die Freilassungen noch die für die fortdauernde Haft der zwei Frauen und schicken im Moment nur Grußkarten ins Gefängnis.